Unser Schulsystem ist erwiesenermaßen ziemlich effektiv und wir werden ziemlich gut auf unser späteres Studium vorbereitet. Ich denke, vor allem wir am Schwalmgymnasium können uns nicht beschweren. Uns werden Vorträge, Informationsbögen und weitere Hilfen geboten, um uns bei den Entscheidungen für unsere berufliche Zukunft zu unterstützen. Aber aus meiner Sicht läuft Vieles einfach nicht richtig und wir werden eher zu guten Schülern erzogen, als zu Menschen. Klar lässt sich da die Frage stellen, inwiefern die „menschliche“ Erziehung von den Lehrern oder eher von den Eltern ausgehen sollte… Als Gymnasiast und vor allem als Oberstufenschüler fragt man sich dann aber eher: „Meine Eltern? Wann sollen die mich denn noch erziehen? Wir sehen uns so gut wie kaum…“
Fehlende Freizeit
Es ist tatsächlich erschreckend zu beobachten, dass man in der Q1 kaum Freizeit hat. Zweimal wöchentlich von 7.30 Uhr bis um 17 Uhr in der Schule verbringen. Die anderen zwei Tage bis um 16 Uhr und freitags dann glücklicherweise um 13 Uhr nach Hause gehen. In der Schule sitzt man dann die meiste Zeit in einer Masse von Menschen und muss 65 Minuten am Stück zuhören, mitdenken, weiterdenken, arbeiten und Aufgaben perfekt lösen. In den 10-minütigen Pausen von Raum zu Raum rennen und mal für ein paar Minuten abschalten können, danach beginnt dasselbe erneut. Die 30 Minuten wird sich erst um die wenigen Plätze gestritten, wo man überhaupt seine Pause angenehm verbringen kann (wobei ich das in der Mittelstufe noch schlimmer fand. Wir saßen dann regelmäßig essend auf dem Boden und haben Lehrern und anderen Schülern den Weg versperrt. Den folgenden Jahrgängen geht es jetzt nicht anders). Die zahlreichen Freistunden verbringt man dann mit Hausaufgaben, Lernen und Unterrichtsnach- & vorbereitungen. So arbeiten wir eigentlich durchgehend und werden die ganze Zeit verglichen und müssen unser Bestes geben. Jeder Lehrer erwartet so viel von uns! Es reicht nicht, dass wir uns in den Fächern anstrengen, an denen wir Spaß und Interesse haben, jeder Lehrer erwartet von uns überall Hochleistung – im Unterricht und Zuhause.
Unbeachtete Verplichtungen
Der Nachhauseweg ist teilweise auch sehr kompliziert. Die Busse fahren nie nach unserem Unterrichtsende (in der Oberstufe), aber Busfahrkarten werden uns ja sowieso seit der E-Phase (in der wir übrigens noch schulpflichtig waren!) nicht mehr bezahlt. Die meisten Schüler sind dank G8 noch teilweise bis zu ihrem Abitur minderjährig und dürfen noch nicht alleine fahren oder müssen die Hälfte des Jahres ihre Motorräder und Co. Zuhause stehen lassen. Viele verlieren so sehr viel Zeit, alleine bis sie Zuhause sind. Und dort muss man noch essen, aufräumen, Hausaufgaben machen, lernen, organisieren. Dazu kommen noch familiäre Verpflichtungen, Arzttermine, Fahrschule und einem fällt ein, dass man ja noch Freunde und irgendwann auch mal ein Hobby hatte. Aber auf all das nimmt die Schule kaum Rücksicht.
Schlechtes „Arbeitsverhältnis“
So werden persönliche Gründe und Situation trotz mehrmaliger Erwähnung von Lehrern so ziemlich gar nicht beachtet (aber wenn ein Lehrer aus „privaten Gründen“ teilweise das doppelte der Frist brauchen, um uns unsere Arbeiten/Klausuren/Tests und so weiter wiederzugeben, ist das natürlich in Ordnung). Natürlich ist es die Aufgabe der Lehrer, uns zu unserer bestmöglichen Leistung zu bringen, aber wir sind auch nur Menschen und haben auch nicht alle die leichtesten Leben und in den mindestens neun Jahren Schule passieren uns auch viele Dinge, die wir irgendwie verarbeiten müssen. So kann uns ein persönliches Erlebnis komplett zurückwerfen. Selbst eine kleine Erkältung, vielleicht dreitägiges Fehlen, bedeutet Mengen an Nacharbeiten und dazu ist man im kranken Zustand auch nicht sehr gut in der Lage. Dann kommt man mit Medikamenten gedopt in die Schule und steckt am besten noch Mitschüler an, weil man den Haufen an Aufgaben teilweise nicht nachholen kann oder möchte. Das sollte aber nicht im Interesse der Schule stehen.
Hier ein kleines Beispiel aus meiner Erfahrungen: Als ich in der 8. Klasse war, ist mein Großvater gestorben und wir haben eine Woche später eine Arbeit geschrieben. Ich habe mit meinem Lehrer geredet und er zeigte anscheinend Verständnis. Ich solle die Arbeit mitschreiben und er würde dann gucken, wie er damit umgehe. Ich hatte dann eine 3 geschrieben, laut ihm keine schlechte Note und damit war ich den Umständen entsprechend auch recht zufrieden. Am Ende des Halbjahres stand ich mündlich auf einer 1, die Arbeit zog den Schnitt aber so runter, dass ich noch eine 2+ im Zeugnis bekam. Klar kann ich mich nicht beschweren und das ist eine gute Note, aber wenn ich da heute objektiv darauf zurückschaue, finde ich das eine absolute Frechheit. Ich habe mich das komplette Jahr so gut mündlich beteiligt, dass ich auf einer glatten 1 stand, aber wegen einer Woche, in der ich mit familiären Problemen zu tun hatte, wurde mir das komplett versaut und kaum angerechnet. Es wurde keinerlei Rücksicht gezeigt, obwohl ich für die restliche Zeit gelobt wurde.
Generell haben wir Schüler einfach ein besseres Schulverhältnis verdient. Wir sind schließlich länger hier als ein durchschnittlicher Berufstätiger in einer Firma. Es wird sich die ganze Zeit bemüht, aber die wirklichen, naheliegenden Probleme werden kaum beachtet. Wir müssen Klausurpläne und unsere Stundenpläne einfach akzeptieren. Wirklich ändern, lässt sich da so schnell nichts.
Handys und Laptops/Tabletts an Schulen
Ein schon so oft diskutiertes Thema ist das Handyverbot an dieser Schule. Wir sind vielleicht die „Generation Smartphone“, aber die Gesellschaft verändert sich eben. Das bedeutet nicht, dass das Smartphone dauernd unsere komplette Aufmerksamkeit benötigt, sondern dass wir die Vorteile, die uns die moderne Technik bietet, nutzen sollten. Es ist doch total absurd, immer noch an alten Dingen so krampfhaft festzuhalten, einfach aus Prinzip. Damals haben die Leute bestimmt auch keine Bücher verflucht, nur weil es neu war. Die Schule ist auf der einen Seite so modern, um mit uns PowerPoint zu üben, Aufsätze vom Computer zu verlangen, die Kommunikation über E-Mail oder andere Internetportale zu unterstützen, ist aber auf der anderen Seite so besessen von Handy- und Computerverbot an der Schule. Eigentlich erlauben uns die Lehrer ausschließlich, kurz mit unserem Handy zu kommunizieren, Vertretungspläne zu checken oder Unterrichtsmaterialien mit Laptops, Tabletts oder dem Handy vorzubereiten, aber offiziell gestattet werden kann das natürlich nicht. Es ist doch ein riesiger Unterschied, ob Bilder gemacht werden und nur gespielt wird, oder ob man mal kurz was organisieren muss oder etwas für die Schule mit dem Internet lösen muss. Durch das Verbot nutzen wir unser Handy einfach nur heimlich, was die Lehrer sowieso nicht mitkriegen oder versuchen irgendwie, die Nutzung zu umgehen. Aber dadurch lernen wir doch nicht den richtigen Umgang mit den neuen Medien. Den Laptop und das Handy in Freistunden nutzen zu dürfen, würde nur Sinn machen. Man kann Freistunden und Mittagspausen klar von anderen Pausen abgrenzen und es ist dann so viel Zeit, dass es sowieso kaum einen Unterschied machen würde. Ob wir nun zusammen am Tisch sitzen und alle in unseren Büchern lesen oder am Handy sind, ist doch relativ egal. Es fördert doch eher die richtige Nutzung des Internets und übt zu recherchieren und Ähnliches.
ANONYM