Gemeinsam erinnern – Gedenkveranstaltung zum 9. November

Am 09.11. fand am Bahnhof in Treysa erneut eine Gedenkveranstaltung  der Stadt unter Beteiligung des Schwalmgymnasiums zur Erinnerung an die jüdischen Opfer des Holocausts statt.

Am Vormittag des 9. Novembers versammelten sich Vertreter*innen der Stadt, Schüler*innen, Lehrer*innen, Angehörige der Verstorbenen und andere Interessierte zu einem gemeinsamen Gedenken. Neben einführenden Worten von Bürgermeister Pinhard und einem Lied, welches der Schulchor des SGs vortrug, sprachen u.a. Herr Junker (Mitglied des städtischen Arbeitskreises) und Frau Bradbury (Enkelin von deportierten Juden aus Schwalmstadt) zu den Anwesenden.  Zum einen erinnerten sie an die Opfer der grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten und zum anderen richteten sie einen Appell an die Anwesenden, diese Taten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.  


Um ein dauerhaftes Zeichen der Erinnerung zu setzen, wurden silberne Gedenktafeln mit den Namen der Deportierten beim Aufstieg zu den Gleisen 2 und 3 angebracht. Für die Anbringung dieser sogenannten “Gedenkbänder” begaben sich die Anwesenden zu Gleis 2, da von diesem Gleis der erste Zug aus Treysa in Richtung Vernichtungslager fuhr. Die Schüler*innen des Vorleistungskurses Geschichte von Frau Meschede nannten die Namen der 53 Personen, die aus Treysa und Umgebung von jenem Gleis deportiert wurden. Nach den Musikstücken „Und der Regen rinnt“ und „Ich wandre durch Theresienstadt“, erinnerte Pfarrer Schindelmann an die Opfer und die Verbrechen der Nazizeit  und appellierte an die Anwesenden, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Abschließend wurde ein hebräisches Gebet vom jüdischen Kantor Axelrod gesungen.

Nach der offiziellen Gedenkveranstaltung hatten Schüler*innen die Möglichkeit, Fragen an die angereisten Angehörigen  der Opfer zu stellen.

Auf die Frage, welche Bedeutung die Veranstaltung für die Angehörigen habe, antworteten diese: „Wir finden es sehr wichtig, dass wir an diesem besonderen Tag an die Opfer der Deportation von 1942 denken. Vor allem, weil wir es auch wichtig finden, dass die Menschheit etwas aus der Vergangenheit lernt und sich solche grausamen Taten nicht erneut wiederholen.“

Auf die Frage, wie das Leben von ihrem Vater Jack Spier in England gewesen sei, wurde von der Tochter geantwortet: „ Als 11-jähriger war es natürlich sehr schwer für ihn, sich an diese Veränderung zu gewöhnen und das ohne seine Eltern. Er hat immer Briefe an sie geschrieben in der Hoffnung, dass sie eines Tages wieder vereint werden. Nach ihrem Tod war diese Hoffnung zerstört und er musste alleine weiterleben. Deshalb hat er sich dann entschieden, in der Zukunft eine sehr große Familie zu haben – wir sind insgesamt sechs Schwestern.” Eine weitere Frage bezog sich darauf, ob er in England auch mit Antisemitismus konfrontiert wurde: „Grundsätzlich nicht. Die Briten haben ihn gut aufgenommen und akzeptiert, so wie er war. Am Anfang hatte er allerdings etwas Schwierigkeiten, seine jüdische Herkunft zu zeigen, da er noch traumatisiert war und Angst hatte, dass auch ihm etwas Schreckliches passieren könnte. Mit zunehmendem Alter fühlte er sich aber dann wohl und hat mit Stolz gesagt, dass er Jude ist und hat auch angefangen, die Synagoge zu besuchen.“

Blickpunkt stellte auch Fragen an Frau Meschede, die die Gedenkveranstaltung mitorganisiert hat. So wollten wir wissen, wann die erste Gedenkveranstaltung des SGs stattgefunden hat. „Die erste Gedenkveranstaltung war im Jahr 2004, als rund 25 Stolpersteine gelegt wurden, initiiert vom ehemaligen Kollegen Bernd Lindenthal und vom damaligen  Schulleiter Herrn Dr. Bernsmeier mit dessen Geschichtsleistungskurs. Danach gab es eine relativ lange Pause und es wurden längere Zeit keine Stolperstein-Verlegungen mehr organisiert“, erklärte Frau Meschede. Sie organisiert seit 2018 die Gedenkveranstaltungen rund um die Stolpersteine in Kooperation mit dem Museum Trutzhain. Es hätten sich in den vergangenen Jahren auch andere Lehrkräfte des SGs beteiligt, z.B. durch die musikalische Begleitung und bei der Finanzierung der Stolpersteine. Blickpunkt wollte wissen, ob zukünftig weitere Gedenkveranstaltungen geplant seien. Daraufhin erläutert Frau Meschede: „Ja, nächstes Jahr werden am 09. November Stolpersteine für die Familie Baum verlegt.“ Die Steine, die verlegt werden, erklärt Frau Meschede, werden von dem Künstlerpaar Gunter und Katja Demnig gefertigt und in ganz Europa zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Mittlerweile sind es schon über 75.000 Steine.

Abschließend fragten wir, wie die Rückmeldungen der englischen Angehörigen und der Schule zu der Gedenkveranstaltung seien. „Die Angehörigen sind sehr dankbar für das, was wir hier am 09. November machen. Sie finden es wichtig, dass an die Opfer erinnert wird und die Grausamkeit des Nazi-Regimes somit nicht in Vergessenheit gerät. Es ist häufig auch eine sehr emotionale Atmosphäre, wenn z.B. Zeitzeugen wie Esther Bejarano herkommen. Sie war , im Alter von 18 Jahren in Auschwitz und gab 2018 ein Konzert in Trutzhain und hielt am nächsten Tag ein Zeitzeugengespräch mit den Abiturient*innen am SG. Die Lehrkräfte sind alle sehr unterstützend und helfen auf verschiedene Weisen. Frau Sievers beispielsweise hilft immer mit der musikalischen Ausgestaltung der Gedenkfeiern, was unglaublich wichtig ist.Aber es finden auch so viele andere Aktionen von anderen Kolleg*innen statt, die zum Thema „Schule ohne Rassismus“ oder „Demokratie lernen“ organisiert werden. Einen Überblick darüber kann man bald auf der Homepage finden“, so Frau Meschede. 

Der Artikel wurde von Kirill Stang und Anaya Baig verfasst.

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