Hannah Busch hat die Europameisterschaften der Altersklasse U18 im Vielseitigkeitsreiten gewonnen. Darüber haben wir mit ihr in einem Interview gesprochen:
Redaktion: Hallo Hannah, danke, dass du Dir die Zeit nimmst.
Hannah: Vielen Dank für die Einladung.
Redaktion: Welchen Titel hast du genau gewonnen?
Hannah: Ich bin in der Altersklasse der Junioren, also unter 18 Jahren und inklusive 18 Jahren, wenn man in dem Jahr 18 geworden ist, Einzeleuropameisterin und Mannschaftseuropameisterin in der Vielseitigkeit im Reiten geworden.
Redaktion: Was gehört alles zu dem Bereich der Vielseitigkeit dazu?
Hannah: Zur Vielseitigkeit gehört die Dressurprüfung als erste Teilprüfung. Da kommt es darauf an, dass man so wenig Strafpunkte wie möglich bekommt.
Die zweite Teilprüfung ist das Gelände. Das ist draußen mit ganz vielen festen Hindernissen, wobei man eine bestimmte Zeit vorgegeben hat, die man schaffen muss, und das Ziel ist, dass man in der Zeit alle Hindernisse ohne Fehler überwindet, das heißt direkt im ersten Anlauf, also dass das Pferd nicht vorbeiläuft oder Ähnliches, denn dafür gibt es wieder Strafpunkte, welche sich dann zum Dressurergebiss addieren, auch wenn man über der Zeit ist.
Die letzte Teilprüfung ist das Springen, wobei es darauf ankommt, dass man alle Stangen liegen lässt und auch wieder in der Zeit ist. Da muss man nicht der Schnellste sein oder Ähnliches, wie das im reinen Springsport der Fall ist, damit man einfach die wenigsten Strafpunkte behält.
Redaktion: Nochmal zu der U18 Kategorie: Ist die nach unten hin offen?
Hannah: Unten ist es prinzipiell offen, aber da ist eigentlich keiner jünger als 16. Das ist schon so eine Orientierung.
Redaktion: Wie bist du zum Reiten gekommen?
Hannah: Meine Eltern sind früher beide schon geritten, das heißt, die hatten immer schon etwas mit Pferden zu tun. Irgendwann sind wir hier auf unseren kleinen Hof gezogen, den wir selbst über viele Jahre zu einem Reitstall ausgebaut haben. Also es waren immer schon Pferde in unserem Umfeld, sodass dann auch unser Interesse kam: „Können wir nicht auch mal reiten?“, und Mama hat immer gesagt: „Du darfst nicht reiten, bevor du 7 bist“. Als ich dann 7 war, meinte ich, jetzt bin ich aber 7 und dann habe ich so angefangen mit den Ponys und dann hat sich das alles unerwartet in so eine Richtung entwickelt.
Redaktion: Also machst du das, seit du 7 Jahre alt bist?
Hannah: Ja, genau.
Redaktion: Warum hast du das Hobby behalten, also was ist so toll daran?
Hannah: Toll ist vor allem die Verbindung zum Pferd. Man ist immer ein Team, man arbeitet mit einem anderen Lebewesen zusammen, was auch mal einen schlechten Tag haben kann oder mal schlechte Laune, genau wie wir Menschen auch. Das heißt, man muss immer zusammenarbeiten, man muss auch gut auf seinen Teampartner, das Pferd, achten und man muss genau Bescheid wissen, was bei dem Pferd gerade Sache ist. Diese Verbindung in dem Sport ist einfach unglaublich. Meiner Meinung nach besonders in der Vielseitigkeit, da wir diese drei Teildisziplinen haben. Das Gelände hat schon seine eigenen Gesetze, wobei man dabei Pferde braucht, die selbst richtig Bock haben und richtig ziehen, weil es sonst nicht möglich wäre, das Niveau zu halten. Man arbeitet einfach so viel zusammen. Das Pferd kann mir blind vertrauen. Ich kann meinem Pferd blind vertrauen und diese Verbindung ist einfach echt cool und einzigartig.
Redaktion: Gab es einen Punkt, an dem du dann vom Hobbyreiten zum Turnierreiten übergegangen bist?
Hannah: Dadurch, dass ich von Anfang an die tolle Möglichkeit hatte, ein eigenes Pony zu haben, beziehungsweise mit meiner Schwester zusammen, habe ich relativ früh auch schon parallel mit dem Turniersport angefangen. Ich bin zu Hause jeden Tag geritten und dann fängt man mit so ganz kleinen Einsteigerprüfungen an. Die erste Prüfung, die ich geritten bin, war eine Führzügelprüfung oder Führzügelklasse nennt man das. Da war ich 8 Jahre alt. Meine Mama, in dem Fall, ist dann nebenhergelaufen und hat das Pony geführt. Dabei sind wir dann nur Schritt und Trab geritten, sodass nichts passieren kann. Bei den Einsteigerprüfungen wird beurteilt, wie ich auf dem Pony sitze, also ganz kleine Prüfungen. Das lief schon relativ früh parallel und dann hat sich das mit dem Niveau zu Hause und auch auf dem Turnier immer weiterentwickelt.
Redaktion: Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Turnierreiten und dem Hobbyreiten?
Hannah: Das kann ich jetzt schwer beurteilen, weil ich das schon früh parallel gemacht habe. Aber klar, also wenn man Turniere reiten möchte, besonders in ein bisschen höheren Klassen, muss man sich natürlich überlegen: „Wann fang ich an, spezifisch darauf zu trainieren?“. Also wenn ich jetzt eine Dressuraufgabe reite, dann fängt man schon mal an, die Lektionen, auch in der Reihenfolge, zu üben oder dass man mal eine Turniersituation zu Hause nachstellt. Wenn man nur Hobbyreiten macht, dann man auch mal sagen: „Heute ist es mir zu warm, heute lasse ich das Pferd nochmal stehen, oder ich gehe heute nochmal eine Runde ins Gelände“. Aber wenn man das Ziel hat, auf das Turnier zu fahren, benötigt es ab einem gewissen Punkt schon ein bisschen mehr Vorbereitung. Aber ich sag immer, lieber nicht groß was anders machen vor dem Turnier, denn das ist dann eher verwirrend für beide. Deswegen muss man dann schon in die häufigere Trainingsroutine kommen, würde ich sagen.
Redaktion: Wie ist dein Werdegang beim Turnierreiten? Gab es da besondere Ereignisse?
Hannah: Ja, das auf jeden Fall. Am Anfang bin ich mit meinem Pony diese ganzen kleinen Prüfungen geritten, bis leider irgendwann feststand, dass wir mein Pony einschläfern mussten, weil es eine Knochenkrebs-Krankheit hatte. Danach bin ich tatsächlich zu einem Vielseitigkeitspony gekommen. Da mussten wir uns erstmal zusammenfinden. Wir haben das erste Vielseitigkeitsturnier und das erste Vielseitigkeitstraining gehabt – das werde ich für immer erinnern, weil ich da tatsächlich direkt bei der Landestrainerin war, also die für den Hessenkader zuständig ist. In Hessen gibt es leider nicht so viele Möglichkeiten, Vielseitigkeit zu reiten.
Dann war ich relativ schnell in der Fördergruppe in Hessen, welche den Vorsprung zum Hessenkader bietet, in den ich dann auch gekommen bin. Dabei durfte ich dann das erste Mal goldene Schärpe reiten. Das ist auf E-Niveau, also dem niedrigsten Vielseitigkeitsniveau, so eine Art deutsche Meisterschaft. Da darf jedes Bundesland nur eine gewisse Anzahl an Reitern stellen. Das war der erste deutschlandweite Vergleich. Es war auch ein total cooles Event, weil man einfach so ein totales Teamfeeling hat. Das waren dann die ersten Erfahrungen mit ein bisschen „größeren Turnieren“ – halt immer noch auf einem relativ kleinen Niveau. So hat sich das dann aufgebaut. Ich bin noch zweimal Scherpe geritten, also insgesamt dreimal, und dann bin ich auch schon Kreismeisterin geworden im Kreisreiterbund Röhn-Vogelsberg. 2020 bin ich zu meinem Großpferd gekommen und das erste Mal Bundesnachwuchschampionat geritten. Das war dann ein Level höher als goldene Schärpe. 2021 bin ich nochmal Bundesnachwuchschampionat geritten, wo wir mit dem Team gewonnen haben. Das war auf dem Niveau A**, also das ist dann schon ein bisschen höher, und das war krass, weil das das erste Mal in der Geschichte war, dass ein hessisches Team gewonnen hat. Da ist es natürlich cool, dabei zu sein, vor allem weil da auch echt viele Freunde von mir dabei waren. Wir waren ein Team von 5 Leuten, die Hessen vertreten durften. In dem Jahr bin ich dann auch doppelte Hessenmeisterin geworden, mit dem Pony und mit dem Pferd.
Dann stand die Frage im Raum, was ich als nächstes machen möchte: Deutsche Meisterschaften, das wäre schon richtig krass. 2022 wollte ich das erste Mal deutsche Meisterschaften (internationales 2*-Niveau) reiten, das hat tatsächlich auch auf Anhieb funktioniert, ich habe sie sogar gleich in den Top Ten beendet. Da stand ich auch das erste Mal auf der Longlist für die Europameisterschaften und ich bin in den Bundeskader berufen worden. Die Longlist ist der erweiterte Bereich für die Europameisterschaften. Das waren, glaube ich, so 12 Leute, von denen 6 im Endeffekt mitkommen. Aufgrund meiner noch wenigen Erfahrungen auf internationalem 2* -Niveau war aber klar, dass das noch nicht gepasst hat. 2023 hatten wir leider so ein kleines Verletzungsjahr, in dem wir dann nicht so richtig losgekommen sind, aber dieses Jahr sind wir wieder deutsche Meisterschaften geritten, was dann auch die Hauptqualifikation für die Europameisterschaften ist. Da bin ich Vize Deutsche Meisterin geworden und dann waren auch schon die Europameisterschaften: Das war schon ein richtiges Highlight.
Redaktion: Was wäre dann so die nächste Stufe?
Hannah: Ja, das ist eine gute Frage. Dieses Jahr war mein letztes Juniorenjahr. Nächstes Jahr wäre ich dann junge Reiterin, das heißt, es geht bis inklusive 21 Jahre, wobei ich auf 3*-Niveau reiten müsste. Zur Relation: 4* sind dann quasi Olympia, Weltmeisterschaften und Seniorenbereich. 3* ist der junge Reiterbereich. Ich reite im Moment 2* bei den Junioren. Das heißt, das ist nochmal ein kleiner Unterschied – kleiner großer Unterschied. Das wäre cool, wenn ich mich da ein bisschen etablieren könnte, aber das gucken wir alles nächstes Jahr, wie das sich entwickelt. Zwischendrin ist noch das Abi.
Redaktion: Wieviel Zeit und Training oder allgemein: Wieviel Aufwand benötigt dieses Hobby?
Hannah: Sehr viel. Es ist wirklich sehr viel Aufwand, muss man sagen. Ich habe das Glück, dass wir die Pferde zu Hause haben, wodurch ich relativ wenig Fahrtwege habe, aber ich trainiere eigentlich jeden Tag. Klar, mein Pferd hat auch mal einen Tag Pause, wobei mein zweites Pferd dann keine Pause hat. Das heißt, ich sitze fast jeden Tag auf dem Pferd. Im Moment reite ich hauptsächlich 2 Pferde. Dann bin ich meistens so zwischen 3 und 4 Stunden am Tag beschäftigt – mit der Arbeit drum herum natürlich. Gerade meine gute Stute, die bekommt nochmal ein paar extra Massage-Einheiten, dann dauert das auch ein bisschen länger. Die Turniere fangen teilweise dienstags an – oder dienstags ist Anreise –, wobei wir bis nach Polen fahren müssen, und dann endet es sonntags. Dabei verpasse ich auch 3 oder 4 Tage Schule, die ich nacharbeiten muss. Aber auf dem Turnier kann ich das vergessen, weil da so viel los ist, das schafft man nicht. Also es ist schon sehr viel Zeitaufwand, aber man macht es gerne. Es macht halt Spaß.
Redaktion: Ist da noch Zeit für andere Hobbys nebenbei?
Hannah: Ja, also ich backe gerne, das mache ich, wenn ein bisschen weniger Turniere sind oder am Wochenende, das passt ganz gut. Und natürlich Freunde treffen, das passt natürlich auch immer gut noch nebenbei, also das geht schon alles gut.
Redaktion: Gibt es Menschen, die dich bei deinem Werdegang besonders unterstützen?
Hannah: Natürlich meine Eltern, weil die das von Anfang an gefördert und unterstützt haben und auch immer mit auf die Turniere fahren. Meine Schwester natürlich auch. Die war jetzt auch mit in Strzegom (Polen) dabei. Weiterhin ganz viele verschiedene Trainer. Von unserem Landestrainer bis zu den Bundestrainern, weil ich da wirklich schon sehr viele tolle Leute und Unterstützer habe, die an mich geglaubt haben. Das ist total schön zu sehen. Und ein paar Sponsoren, die uns da unterstützen.
Redaktion: Was kannst du anderen Reiterinnen und Reitern raten, die jetzt vielleicht das Interview lesen und das interessant finden oder vielleicht selbst mit dem Reiten anfangen wollen?
Hannah: Mit dem Reiten anzufangen, kann ich jedem empfehlen. Aber meistens ist es so, wenn man einmal angefangen hat, möchte man nicht mehr aufhören. Also das sollte einem bewusst sein. Ich würde es immer empfehlen. Diese Zusammenarbeit mit dem Pferd ist für mich einfach total besonders. Bezüglich Vielseitigkeit: Wir brauchen unbedingt Vielseitigkeitsnachwuchs. Das geht tatsächlich meistens leider immer erst mit einem eigenen Pferd, weil die Schulpferde dafür in den Schulbetrieben meistens nicht genug ausgebildet sind, aber wenn man da Interesse und vielleicht die Möglichkeiten hat, dann einfach anfangen und den Mut fassen. Mich auch gerne ansprechen, das ist kein Problem, ich kann gerne Kontakte herstellen, wenn man da Interesse hat. Go for it! Es macht Spaß. Wenn man einmal infiziert ist, hört man nicht mehr wieder auf.
Redaktion: Als Abschlussfrage: Hast du ein Ziel für deinen Weg im Vielseitigkeitsreiten?
Hannah: Also ich glaub, tatsächlich würde ich so als Ziel für meinen sportlichen Werdegang sagen, dass ich mich in der nächsten Altersklasse etabliere, weil das erstmal so ein bisschen der Grundstein ist für das, was eventuell noch kommen könnte.
Redaktion: Viel Erfolg dabei.
Hannah: Dankeschön.